11/02/2015

Vorbericht Transmartinique Ultra Trail

"Trans Martinique, der Ultratrail der Karibik" (Homepage). Mit diesem Schriftzug lacht uns während einer unserer Inselerkundungen ein Plakat am Ort des Rennstartes (Grand Rivière an der Nordküste) entgegen. 137km / 5'602 Hm  stand auch noch auf dem Plakat, Zahlen welche mir momentan ziemlich viel Respekt einflössen (Strecke & Profil).
 
 
Es ist nicht nur die Distanz und die Höhenmeter die immens sind. Die Strecke führt auf teilweise extrem wurzligen, überwachsenen, nassen und steilen Trails rund 100 km durch den Regenwald, bevor dann im flacheren Süden noch ein Marathon mit langen Strandabschnitten drangehängt wird. Hinzu kommt noch das Klima - ich habe noch nie so geschwitzt beim Lauftraining, wie hier in Martinique. Dafür sorgen Tagestemperaturen um die 35°C und eine Luftfeuchtigkeit von gegen 100%. Entsprechend lange sind die Teilnehmer dann auch unterwegs, in den letzten Jahren gab es jeweils nur vier bis fünf Läufer mit einer Rennzeit von unter 20 Stunden.
 
Mt. Pelée, mit 1'300 Hm der längste Anstieg des
Rennens, fotgrafiert während eines SUP-Ausflugs.
 
Ja, dieses Rennen wird eine grosse Herausforderung, aber es ist auch etwas zum geniessen! Die Natur auf dieser Insel ist etwas vom schönsten, was ich je gesehen habe, und bei einem so grossen Event hier am Start zu stehen, darauf freue ich mich, trotz des langen, harten Weges bis ins Ziel.
 
Sicher sehr positiv für mich ist, dass ich nach zwei Wochen hier in Martinique gut akklimatisiert sein werde. Direkt aus Europa anreisen um dieses Rennen zu bestreiten, stelle ich mir ziemlich tough vor.
  
Trail am Mt. Pelée
  
Für einen Wettkampf wie den Trans Martinique gibt sehr viel vorzubereiten, es gibt viele Punkte, über die man sich Gedanken machen sollte, deren Missachtung in bösen Überaschungen oder sogar einem DNF enden können. Nachfolgend eine kleine Übersicht der Themen, mit welchen ich mich vor diesem Lauf auseinandergesetzt habe:
 
  • Länge & Höhenmeter: 137 km mit 5602 Höhenmeter ist eine unvorstellbare Distanz, auf die es sich mental einzustellen gilt.
  • Hitze & Luftfeuchtigkeit: Es wird heiss, daher muss ich versuchen, meine Körpertemperatur so gut es geht tief zu halten. Ich habe vor bei den Wasserdurchquerungen meine Kappe und mein Bufftuch im Wasser zu tränken oder sogar ganz im Wasser abzutauchen. Zudem hoffe ich, dass es an den Verpflegungsposten Eis gibt.
  • Sonne: Die Sonne ist sehr intensiv, daher gilt es sich mit Kappe, Sonnenbrille & Sonnencreme sehr gut schützen. Sonnencreme auf schweissnasse Haut auftragen, wird aber eine gewisse Schwierigkeit darstellen...
  • Regen: Dass es im Inneren der Insel regnen wird, ist gut möglich, wenn nicht sogar sehr wahrscheinlich. Es besteht die Möglichkeit, dass ich über Stunden im Regen rennen werde.
  • Nasse Schuhe, Socken und Füsse: Aufgrund der matschigen Trails und Flussdurchquerungen werden meine Füsse wohl während der gesamten Laufdauer mehr oder weniger nass sein. In Kombination mit den warmen Temperaturen besteht die Gefahr von Blasen. Um vorzubeugen werde ich meine Füsse mit Vaseline einreiben, zudem habe ich vor, Schuhe und Socken nach den Bergpassagen zu wechseln.
  • Flüssigkeitsverlust: Ich verliere in diesem Klima riesige Mengen an Flüssigkeit durch Schwitzen. Während des Wettkampfs muss ich deshalb konsequent die maximal verträgliche Menge an Wasser pro Stunde zu mir nehmen, um den Flüssigkeitsverlust einigermassen auszugleichen, ich plane 1 Liter/Std. Grössere Mengen können schnell zu Problemen im Magen führen. Bei einer Renndauer von 20 Stunden würde dies 20 Liter ergeben.
 
Eine der vielen Wasserdurchquerungen


  • Hyponatremia (zu tiefe Salzkonzentration im Blut): Beim Schwitzen wird neben Wasser auch Salz ausgeschieden. Ich muss darauf achten, dass ich mein Körper nicht zu stark entsaltze. Über Salztabletten und Sportgetränk werde ich 0.5 - 1.0 g Salz pro Stunde zu mir nehmen.
  • Rennen im Sand: Im letzten Drittel der Strecke hat es längere Strandabschnitte. Dies kann ganz schön auf die Achillessehnen, aber auch auf die Moral gehen, auch wenn die Aussicht auf das Karibische Meer wunderschön ist.
  • Sehr technisches Gelände: Es gibt viele sehr langsame Abschnitte wo es notwendig wird, die Hände zur Hilfe nehmen. Ich gehe davon aus, dass ich Stürze unvermeidlich sein werden, und die Kilometer sich zwischenzeitlich sehr lange hinziehen könnten. Nach einigen Stunden durch solches Gelände Moral und Konzentration hochzuhalten, wird nicht einfach.
  • Rennen im Dunkeln: Der Start ist um 3 Uhr Morgens. Der erste lange Aufstieg wird komplett im Dunkeln mit Stirnlampe zu bewältigen sein. Im Falle eines perfekten Rennens, mit einer Laufzeit von um 20 Stunden, würde ich um 11 Uhr Abends ins Ziel kommen. Es ist aber auch möglich, dass ich noch grosse Teile der zweiten Nacht unterwegs sein werde.
  • Tiere und Pflanzen: Glücklicherweise gibt es hier keine Bären und Cougars wie in den USA, aber es gibt viele Insekten und Pflanzen, welche man besser nicht berührt. Es ist gut möglich, einige unangenehme Stiche zu kassieren. Antibrum bzw. das hiesige Gegenstück dazu werde ich daher grosszügig einsprayen (aber auch dieses wird wohl schnell weggeschwitzt...).
  • Umwege: Dunkelheit, Müdigkeit oder kurze Unkonzentriertheit können leicht dazu führen, dass ich mal einen Abzweiger verpasse. Diese Extrakilometer können mächtig auf die Moral drücken.
  • Erschöpfung- und Müdigkeit: Nach einer schlaflosen Nacht (ich denke nicht, dass ich vor dem Start um drei Uhr morgens schlafen werde) über 20 Stunden zu rennen, wird mich ziemlich erschöpfen. Dies wird es sicherlich nicht einfacher machen, die Konzentration hochzuhalten, und auf diesen Trails ist man besser konzentriert, um Stürze und Umwege zu verhindern.
  • Kalorienaufnahme: Ein Ultralauf ist ein ständiger Kampf darum, genügend Energie bereit zu stellen, damit der Körper funktioniert. Bei 20 Stunden werde ich um die 14`000 kcal verbrennen. Dies kann und darf ich nicht während dem Wettkampf ersetzen, weil dies den Magen massiv überfordern würde. Geplant ist, dass ich zwischen 50 und 75 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde zu mir zu nehme. Dies über ein möglichst breites Spektrum an Energielieferanten, denn würde ich diese Menge ausschliesslich über Energy-Gels abdecken, müsste ich über 60 dieser klebrigen Dinger essen - absolut unmöglich runterzukriegen. Daher werde ich mir einen detaillierten Menuplan aufstellen und den Timer meiner Uhr aktivieren, damit ich das Essen nicht vergesse. Geplant sind sind ein Gel pro Stunde, ca. alle 3 Stunden ein Sportdrink, je 30 Min. eine Salztablette sowie an den Verpflegungsposten jeweils eine Handvoll Früchten, Salzbretzel usw.
  • Probleme mit dem Verdauungstrakt: Es kann sein, dass mir irgendwann Magen oder Darm Schwierigkeiten bereiten. Wie bereits in Squamish erlebt, gibt es keine andere Wahl als weiterzumachen und auf baldige Besserung zu hoffen. Dazu gilt es, unbedingt weiter Energie zu mir zu nehmen auch wenn es widerstreben sollte.
  • Schmerzender Körper: Der Körper wird durch die Überanstrengung irgendwann beginnen zu schmerzen, seien dies die überanstrengten Muskeln, der Rücken, die Gelenke etc. Darauf muss ich mich einstellen, solange keine Verletzung droht, ist dies kein Grund anzuhalten.
  • Keep on Moving: Trotz Erschöpfung, einem schmerzenden Körper und eventuellen weiteren Problemen muss ich mich motivieren weiter zu rennen. Ich bin gespannt wie ich es schaffe positiv zu bleiben, und wie ich im persönlichen Grenzbereich reagieren werde!

Trail...

Zielsetzung:
Ich habe mir drei Ziele gesetzt, denn es kann viel passieren unterwegs. Wenn ich sehe, dass mein Wunschziel nicht mehr erreichbar ist, ist es wichtig einen Plan B zu haben, an dem man sich orientieren kann.
1. Ziel: Finishen in 20 Stunden - Mit dieser Zielzeit im Kopf werde ich die ersten Stunden losrennen, ob dies aber realistisch ist, habe ich keine Ahnung. Kann ich dies durchziehen, wäre sogar eine Top 5 Platzierung möglich.
2. Ziel: Finishen in 24 Stunden - Wenn ich feststelle, dass 20 Stunden nicht zu erreichen sind, werde ich auf Ziel 24h wechseln. Dies würde üblicherweise noch immer in eine Rangierung um den 20 Platz resultieren.
3. Ziel: Finishen - Sehe ich dass ich ernstere Probleme habe, nehme ich Tempo raus und versuche ins Ziel zu kommen. Schlussendlich ist es das Wichtigste bei einem solchen Abenteuer, die Ziellinie zu überqueren.

Taktik:
Auf der Strecke gibt es 12 Verpflegungsposten. Mit meinen Zielzeiten von 20 oder 24 Stunden kann ich nun ausrechnen, wie lange ich für die Streck zum nächsten Verpflegung unterwegs sein sollte, an diesen Abschnitten werde ich mich orientieren. So kann ich die Strecke in viele einzelne, besser verdaulich Etappen von ein bis drei Stunden aufteilen, jede absolvierte Etappe bringt Motivation und einen Energieschub. Es bringt nichts, die Gesamtstrecke im Kopf zu haben, da der Gedanke an die noch zurückzulegende Distanz ziemlich demotivierend wirken könnte.

Support:
Ich habe das Glück, dass mich Muriel, wie schon so oft, betreuen wird. Einerseits ist dies bereits in der Vorbereitung eine grosse Hilfe, denn wir diskutieren viele Punkte gemeinsam und ich kann vor allem auch von ihrem Ernährungswissen profitieren. Andererseits kann ich alles, was ich nicht mittragen möchte oder muss (es gibt eine Pflichtausrüstung) bei Muriel lassen. Sie wird Dinge wie zubereitete Sportgetränke, neue Gels, Schuhe und Socken zum wechseln, aufgeladene Stirnlampe, trockene Kleider usw. an den vereinbarten Posten bereithalten. Ausserdem wird mich Muriel quer über die Insel zum Start chauffieren, welcher ja um drei Uhr früh sein wird. So muss ich nicht bereits um 5 Uhr am Vorabend mit einem vollgestopften Shuttlebus in den Norden zum Start fahren, um mir dort dann noch die halbe Nacht in einer Turnhalle um die Ohren zu schlagen. Auch ist es für mich extrem motivierend wenn ich weiss, dass ich Muriel bei der nächsten oder übernächsten Verpflegungstelle sehen werde. Natürlich werde ich so noch mehr daran setzen, dort zur vereinbarten Zeit aufzutauchen, damit sie nicht stundenlang warten muss. Auch können wir so diesen Anlass teilen, und ich freue mich bereits riesig darauf, Muriel im Ziel in die Arme zu nehmen und mit ihr auf das Erlebte anzustossen. Dieser Lauf ist auch für sie ein Ultramarathon, denn es wird auch für uns beide ein sehr, sehr langer und intensiver Tag werden.
  
Die letzte Woche (Tapering):
Für mich heisst es jetzt relaxen und entspannen und nicht mehr zu viel machen, damit ich am Wettkampftag nicht müde Beine habe. Ich versuche gut zu essen, und Alkohol wird bis nach dem Wettkampf vom Menuplan gestrichen. Ein paar kurze Trainingsläufe, die eine oder andere SUP Session und Wanderung liegen natürlich trotzdem noch drin, denn wir wollen die Tage hier in der Karibik so richtig geniessen.
 
Wieso eigentlich:
Wenn man so liest, was ich hier zusammengeschrieben habe, könnte man sich schon fragen, weshalb sich jemand so etwas antut (und sogar noch Geld dafür bezahlt). Als Nichtläufer ist dies vermutlich schwierig zu verstehen, aber wer schon mal an einem Ultratrailwettbewerb teilgenommen hat, der weiss weshalb. Denn die Atmosphäre ist unvergleichbar, zudem gibt es keine bessere und intensivere Art eine Insel, einen Berg oder eine Gegend kennen zu lernen, als zu Fuss auf einer markierten Strecke, wo es unterwegs erst noch alle zehn Kilometer etwas zu essen gibt. Ein solcher Ultratrail ist ein riesiges Abenteuer, und natürlich hat auch die Grenzerfahrung seinen Reiz.
  
Jetzt heisst es für mich die Karibik zu geniessen und mir nicht mehr allzu viele Gedanken zu machen. Ich hoffe sehr, dass ich nach dem Wettkampf einen positiven Bericht schreiben kann.

3 Kommentare:

  1. Noch 10 Stunden, viel Erfolg! :)

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    1. Vielen Dank! Leider wurde der Event aufgrund schwerer Überschwemmungen 12 Stunden vor dem Start gecancelt... :( So wie's aussieht müssen wir uns nun die nächsten Wochen von Energy-Gels und Sportdrinks ernähren! ;)

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    2. oh nein, das ist ja blöd :( die Gels halten sich ja glaub ein Weilchen und nehmen nicht viel Platz weg :)

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