Unglaublich, wie die Zeit vergeht! Eben noch war der Matterhorn Ultraks ein Anlass irgendwann in ferner Zukunft, "dann nach den Ferien", doch plötzlich hiess es am Samstag "Manuel goes Ultra". Das Ultra bezieht sich dabei nicht nur auf die Distanz von 46 km, sondern auch auf die Höhendifferenz: je 3'600 positive und negative Höhenmeter waren auf der Strecke zu bewältigen. Alles in allem kamen also beim 46k-Hauptlauf rund 90 Leistungskilometer zusammen!
Matterhorn vom Chalet "Annelis" gesehen. |
Wir sind bereits am Freitag Abend per Bahn angereist, bzw. in Manuel's Fall direkt von einem Seminar per Bus, Schiff, Bahn und Zahnradbahn. In Zermatt haben wir unser Studio mit Matterhornblick im Chalet "Annelis" bezogen, und das Matterhorn blinzelte auch tatsächlich zwischen den Wolken hervor. Die Startunterlagen waren schnell abgeholt, die Läufermesse war ebenfalls recht übersichtlich. Trotzdem kam ich nicht ohne Einkauf an den Ständen vorbei... Schon ewig habe ich ein Auge auf einen Icebreaker-Baselayer aus Merinowolle geworfen, mit 30% Rabatt war das Langarm-Shirt schon beinahe zahlbar. Zurück im Studio haben wir nur noch einen kurzen Spaghettiplausch veranstaltet, den Lauf- und den Supporter-Rucksack gepackt und sind dann ins Bett gefallen.
Kurz nach fünf "krähte" Manuel's Wecker - ächz! Während er verschlafen sein Frühstück
aus Zopf und Honig ass, drehte ich mich nochmals im Bett. Um halb 6 war
ich dann auch auf den Beinen und kochte uns Kaffee. Draussen war es noch
recht frisch. Dick eingemummt standen wir um viertel vor 7 zum Briefing
an bzw. neben der Startlinie. Das Wetter solle bis nach dem Mittag
halten, teilte das Organisationskomitee mit, ab 14 Uhr werde aber Regen erwartet. Dann
reihte sich mehr oder weniger komplett die Trail-Running Weltelite vorne
ein, Manuel drückte mir Jacke und Pulli in die Hand, und schon
war 7 Uhr, und die 46k-Läufer wurden hinter einem Feuerwehrauto auf die
Strecke geschickt.
Die Trailrunning Elite, u.a. mit Kilian Jornet, Luis Hernando Philipp Reiter, Emelie Forsberg und vielen weiteren. |
Ich hatte noch etwas Zeit um mir ein Brötchen zu kaufen und im Studio die Jacken abzuladen, bevor ich mit der 8 Uhr Zahnradbahn zum Gornergrat auf 3'135 m ü.M. hinauf fuhr. Nur schon die spektakulären Aussichten während der Fahrt waren den nicht ganz günstigen Fahrpreis wert!
Matterhorn vom Gornergrat her aufgenommen. |
Hier bei Kilometer 13.8 befand sich der höchste Punkt der der Strecke, nach Zeitplan wurde die Spitze um 9 Uhr erwartet. Um so erstaunter war ich, als mir bei meiner Anfunft um 08:30 unmittelbar beim Bahnsteig ein Läufer begegnete. Es handelte sich um den Spitzenläufer, und nur wenige Sekunden später folgten zwei weitere Läufer in Wahnsinnstempo, knapp konnte ich einen der beiden als Kilian Jornet - Weltcupleader und späterer Sieger - identifizieren.
V.l.n.r.: Lyskamm, die Zwillinge (Castor und Pollux) und das Breithorn, alles Viertausender. |
Mir blieb kaum Zeit, die unglaubliche Aussicht auf über 20 Viertausender (darunter Matterhorn und Dufourspitze) zu geniessen, denn kurz vor neun folgten dann die beiden ersten Frauen und ihnen dicht auf den Fersen erschien auch schon Manuel.
Manuel im Schlussaufstieg zum Gornergrat. |
Ich versorgte ihn mit Gels und Getränk, er sagte er fühle sich sehr gut, habe aber harte Beine. Schon war er wieder weg, und ich kam ein wenig ins Schwitzen, denn auf solch schnelle Durchgangszeiten war mein Supporter-Zeitplan nicht ausgerichtet... Das Züglein schien mir auf der Talfahrt unglaublich langsam, und auf Anraten eines Mitarbeiters der Gornergratbahn stieg ich auf halber Höhe aus, um zu Fuss zur Zwischenstation der Schwarzseebahn hinüber zu traversieren. Obwohl nach Wegweiser 1h15 angegeben waren, schaffte ich die Strecke mit einem persönlichen kleinen Traillauf in rund 25 Minuten.
Per Seilbahn ging es wieder hinauf auf zum Schwarzsee am Fusse des Matterhorns. Hier, auf rund 2'600m, war bei Kilometer 28 ein weiterer Höhepunkt der der Strecke. Für die Läufer war zwischen Gornergrat und Schwarzsee ein höllischer Abstieg von über 1'200 m und entsprechend auch wieder ein Aufstieg zu bewältigen. Die männlichen Spitzenläufer hatte ich natürlich verpasst, zu viel waren sie vor dem Zeitplan. Das Wetter wurde zunehmend mehr bewölkt, und aufgrund des stürmischen Windes war ich froh um Mütze und Jacke! Auch das Matterhorn hatte inzwischen den Gipfel in den Wolken versteckt.
Bei der Station Schwarzsee am Fuss des Matterhorns. |
Die Führung bei den Frauen hatte inzwischen gewechselt, Emelie Forsberg - die spätere Siegerin - lag alleine an der Spitze des Frauenfelds. Strahlend und winkend lief sie vorbei, als wäre es ein Spaziergang! Dieses Mal dauerte es aber rund 15 Minuten bis Manuel folgte, und ich konnte ihm ansehen, dass die harten Beine nicht besser geworden waren. Tatsächlich litt er schon seit längerem an wiederholten Krämpfen und konnte nur auf Sparflamme und mit viel beissen laufen. Schwarzsee war die letzte Möglichkeit, an einer Seilbahn auszusteigen, und er war sich nicht ganz sicher, ob er wirklich weiterlaufen wollte. Nach kurzer Trinkpause entschloss er sich aber dazu, es zu versuchen - ein Entscheid, welchen er nach eigener Auskunft bereits schon wenige hundert Meter später beim nächsten Krampf zum ersten Mal bereuen sollte.
Ziemlich beunruhigt fuhr ich per Seilbahn nach Zermatt zurück, die Lust am Wandern war mir etwas vergangen, auch aufgrund der zunehmend bedrohlich aussehenden Wolken. In Zermatt traf ich genau rechtzeitig zum Zieleinlauf von Kilian Jornet ein, er hatte die Strecke in unglaublichen 4h43 bewältigt!
Zum guten Glück gibt es Smartphones und Datasport Live - hier wurden die Durchgangszeiten an den verschiedenen Zeitnahmematten in Echtzeit publiziert. Vom Moment an als Emelie Forsberg's Name bei der nächsten und letzten Zeitnahmestelle (Trift, Kilometer 40.1) auftauchte, drückte ich quasi minütlich auf den "Refresh"-Button. Gefühlte Stunden später (also eigentlich nur nach etwas mehr als 30 Minuten) war es zu meiner grossen Erleichterung so weit, Manuel war ebenfalls bei Trift durch. Jetzt folgte noch eine weitere kurze Steigung und der letzte lange Abstieg nach Zermatt. Allerdings, Abstieg = nicht so gut mit Krämpfen...
Im Ziel liefen inzwischen stetig die Läufer der kürzeren Strecken 16k und 30k ein, und dann die ersten drei Frauen des 46k-Rennens. Langweilig wurde es jedenfalls nie, an dieser Stelle ein grosses Kompliment an das Organisationskomitee - ein wirklich sehr gut organisierter, stimmungsvoller und rundum gelungener Anlass!
Um halb zwei, nach 6 Stunden und 26 Minuten Laufzeit hatte Manuel es dann geschafft - auf dem starken 48. Rang von insgesamt 207 Finishern lief er ins Ziel. Ich war so sehr mit freuen beschäftigt, dass ich meinen Zweitjob, das fotografieren, völlig vergass - deshalb nur ein Bild aus weiter Entfernung.
Manuel's Zieleinlauf in Zermatt. |
Bei Manuel überwog allerdings zuerst eher Enttäuschung, wäre doch ohne die muskulären Probleme noch mehr drin gelegen. Die Hauptursache für die Probleme sieht er bei fehlenden Trainingskilometern auf langen, steilen und technisch anspruchsvollen Downhillstrecken. In unserer Wohngegend ist es nämlich eher schwierig, auf mehr als 300 zusammenhängende, in eine Richtung orientierte Höhenmeter in zu kommen, von Trails ganz zu schweigen. Vor einem allfälligen nächsten Lauf dieser Art (der Jungfrau-Marathon in drei Wochen mal ausgenommen...) werden sicher mehr Trainingsausflüge ins Alpengebiet auf dem Programm stehen!
Inzwischen sieht Manuel aber auch die positiven Seiten, immerhin hat er sich durchgebissen ist jetzt ein "Ultramarathoni"! :) Ausserdem ist er, ganz im Gegensatz zum Grossteil der 46k-Läufer, sogar noch vor den ganz genau gemäss Prognosen um 14 Uhr einsetzenden Gewittern ins Ziel gekommen.
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