2/24/2015

Tarawera Ultra Trail Run - 4 Platz in der 60km Wertung

"Haere mai! Welcome to the Tarawera Ultramarathon, New Zealand’s most prestigious ultramarathon, part of the 11-race Ultra-Trail World Tour." Mit diesen Worten wird man auf der Tarawera-Homepage begrüsst. Nach der Kepler Challenge soll dieser Lauf mein nächstes grosses Trailrunning Highlight werden und zudem mein erster 100km Trailrun.

 
Durch die Aufnahme des Laufes in die Ultra-Trail World Tour war auch ein entsprechend starkes Feld von Damen und Herren am Start, darunter einigen Namen die man als Laufnerd aus Magazinen bereits kannte. Entsprechend war der Lauf mit über 1000 Teilnehmern natürlich auch ausverkauft. Was mich speziell freute war, dass ich neben der wieder supertollen Unterstützung von Muriel auch Support von meinen Eltern erhielt, welche uns diesen Februar für 17 Tage durch Neuseeland begleiteten.

 
Der Freitag war für die Raceregistration, Racebriefing, Läufermesse, Läuferinterviews usw. reserviert und so sind Muriel und ich nach dem Frühstück nach Rotorua losgezogen. Am Rand des Geländes wurden wir von einem riesen Plakat empfangen, auf welchem nebst Racelogo die Namen sämtlicher Teilnehmer zu finden waren, echt eine super Idee!
 
 
 
Am Racebriefing wurden wir informiert, dass dank des guten Wetters in diesem Jahr keine Pflichtausrüstung mitgetragen werden muss, einzig für die ersten Kilometer wurde eine Stirnlampe empfohlen, da der Start noch im Dunkeln stattfindet. Die Läufer welche erst nach Sonnenuntergang im Ziel einlaufen würden sollen ausserdem ein Thermal Top gegen die abendliche Kälte mitnehmen, dies betraf mich glücklicherweise aber nicht. Anschliessend fand eine Q&A Session mit den Topathleten statt, diese Session war echt interessant aber auch amüsant und es hat sich mal wieder gezeigt dass es zu den Themen Tapering, Recovery, Ernährung usw. tausende von richtigen Ansätzen gibt und jeder sein eigener Weg finden muss. Bei der Registration musste ich dann noch auf die Wage stehen, damit die Ärzte an der Strecke in der Lage sein würden zu kontrollieren, dass niemand zuviel Flüssigkeit verliert.
 
Am nächsten Morgen ging es mal wieder sehr früh aus dem Bett, bereits um 3:50 klingelte oder besser gesagt krähte der Wecker und ich ass meine Honigtoasts und eine Banane bevor wir im 4:30 in Richtung Start losfuhren. Natürlich fragte ich mich zu diesem Zeitpunkt, ob ich genügend trainiert habe und wieso man dies überhaupt auf sich nimmt, aber komischerweise ist vor einem Ultralauf die Anspannung geringer als vor einem Marathon oder Halbmarathon! Grund dafür ist wohl der relativ gemütliche Start, es gilt nicht wie beim Halbmarathon vom ersten Schritt an volle Pulle loszulaufen. Im Startgelände wimmelte es von Läufern und, wie immer bei solchen Läufen, sehen irgendwie alle schnell aus . Ich reihte mich trotzdem relativ weit vorne ein. Entsprechend konnte ich die Maori Zeremonie und den Haka (Maori Kriegstanz, bekannt durch das Neuseeländische Rugbyteam "All Blacks") aus nächster Nähe geniessen.
 
Kurz vor dem Start
 
Zehn Minuten vor dem Start nahm ich noch einmal Muriel in die Arme, gab ihr meine warmen Klamotten und schaltete die Stirnlampe ein und schon - wie immer viel zu schnell - wurde der Startschuss gegeben.
 
Zu Beginn ging es auf relativ breiten, leicht ansteigendenn Feldwegen durch einen Redwood-Wald, so konnte man sich sehr gut einreihen und überholen. Ich fühlte mich gut und bin locker losgerannt, kam aber etwas ins Staunen als um mich herum Läufer und Läuferinnen zu finden waren, welche ich aus den Magazinen kannte, und welche nicht wie ich Startgeld bezahlen müssen, sondern Flug, Unterkunft usw. bezahlt kriegen.
 
In der Morgendämmerung (c) Tarawera Ultra Marathon

In der Morgendämmerung (c) Tarawera Ultra Marathon
 
So reihte ich mich in einer ca. achtköpfigen Gruppe unter anderem mit Ruby Muir (Siegerin 2013), Vaijin Armstrong (zweifacher Sieger) und weiteren Topathlenten ein, sogar noch vor Nuria Picas, welche im letzten Jahr die Gesamtwertung der UltraTrail Worldtour gewonnen hatte. Da ich mich aber sehr gut fühlte und überhaupt nicht das Gefühl hatte, zu schnell zu laufen, bin ich mit dieser Gruppe mitgegangen.
 
Am Bluelake (c) Tarawera Ultra Marathon
 
Nach rund 14 Kilometern ging der Kurs an unserem Camping vorbei wo meine Eltern und Muriel an der Strecke standen und mich angefeuerten. Ihnen konnte ich auch die Stirnlampe abgeben.
 
Dylan Bowman auf dem Weg zum Sieg
 
Etwa zwei Kilometer später begann sich leider bereits mein Magen, oder besser gesagt mein Darm zu melden und ich musste abreissen lassen und ein Stopp einlegen, natürlich habe ich diese Topläufer nachher erst wieder im Ziel gesehen. Sorgen machte ich mir deswegen noch keine, ich lief einfach weiter mein Tempo. Leider musste ich aber bereits vor der 21 Kilometer Verpflegungsstelle wieder auf ein ToiToi, was ziemlich nervte, und mich weitere Minuten kostete.
 
Bei der 21 Kilometer Verpflegungsstelle lies ich meine Flasche mit Wasser füllen, denn nun würde es für rund 18 Kilometer auf Singletrails hoch und runter durch wunderschönen Regenwald gehen, bevor ich wieder eine Verpflegungsstelle passieren würde. Für mich war dieser Abschnitt recht spannend, denn ich konnte von Nahe den Dreikampf der Topfrauen (Shona Stephenson, Ruth Craft, Nuria Picas) um Platz 2-4 mitverfolgen. Die Neuseeländerin Ruby Muir lag zu diesem Zeitpunkt scheinbar uneinholbar vorne. Mir lief es eigentlich sehr gut und ich hatte einen guten Rhytmus, aber der Magen... bis zum nächsten Verpflegungsposten musste ich weitere zwei Mal stoppen. Die Läufer um mich herum begannen sich sicherlich so langsam zu wundern, denn es kam mehrfach vor, dass ich jemanden überholt und abgehängt habe, nur um kurze Zeit später schon wieder von hinten auf den selben Läufer aufzuschliessen und ihn wieder zu überholen...
 
(c) Tarawera Ultra Marathon
 
Bei der nächsten Verpflegungsstelle an der Okataina Lodge herrschte ein riesiger Rummel, alles war voll mit Supportern, welche Stimmung gemacht haben, ausserdem wurde das Geschehen von Foto- und Filmkameras festgehalten. Als ich angehalten bin um ein paar Bretzel, eine Banane und einen Schnitz Orange zu essen und etwas zu trinken hatte ich schon ein Mikrofon und eine Kamera vor der Nase und mir wurden ein paar Fragen gestellt - ich habe aber keine Ahnung mehr was ich gefragt wurde oder geantwortet habe. Schön, dass so viele interessierte Zuschauer an die Strecke kamen, und um so toller ist der Support der Leute, wenn man bedenkt, dass die Verpflegungsstellen grösstenteils nur zu Fuss erreichbar sind.
 
Kurz nach dieser Verpflegung fand im Frauenrennen die Entscheidung um die Podestplätze statt, welche ich direkt mitverfolgen konnte, da ich nun mit den drei obengenannten Frauen in einer Vierergruppe unterwegs war. Nuria Picas zog etwas an und übernahm den Lead, den bisher meistens Shona Stephenson hatte, Ruth Craft zog mit und ich ebenfalls, aber Shona Stephenson musste abreisen lassen. Leider musste ich dann aber mal wieder in die Büsche und ich erfur dann erst im Ziel, wer von diesen beiden Frauen schneller war (es war Ruth Croft, welche zwischenzeitlich sogar noch zur in Führung liegenden Ruby Muir aufschloss). Der Trail war weiterhin sehr schön, aber auf diesem Abschnitt auch technisch sehr anspruchsvoll: viele Wurzeln, enge Kurven und sehr schmale Singletrails, die kaum je ein auch nur ein kurzes Stück eben verliefen, zudem lagen viele umgefallene Bäume auf dem Trail über welche es zu klettern galt. Ich rannte seit dem letzten Stopp alleine und fühlte mich immer noch sehr gut, die Beine waren noch relativ locker und ich hatte noch Saft, obwohl mein Magen schon seit längerem leer war. Allerdings stellte ich mir immer mehr die Frage, ob es wirklich sinnvoll wäre, nach der 60-Kilometer-Marke noch weiterzurennen, oder ob ich besser dort Finishen sollte? Weitere 40km ohne Kalorienaufnahme und mit vermutlich grossem Flüssigkeitsverlust bei gegen 30 Grad könnten sehr, sehr lange werden... Bei einem Ausstieg nach 60 Kilometern würde ich in der Wertung des 60 km Laufes als Finisher aufgeführt, doch falls ich dort weiterrennen würde und dann aufgeben müsste, so gäbe es ein DNF. Zudem wusste ich, dass Muriel und meine Eltern beim 60km Posten sein würden, was die Problematik des Transports zum Ziel lösen würde.
 
Nach etwa über 50 Kilometern schmerzte auf einmal meine Kniekehle. Ein Kontrollblick mein Bein hinunter zeigte, dass dort eine Wespe sass, welche soeben zugestochen hatte. Mühsam, denn in der Kniekehle spürte ich den Stich nun natürlich bei jedem Schritt. So langsam wurde für mich der Entschluss zunehmend klarer, dass ich bei 60km ins Ziel abbiegen würde. Zu diesem Zeitpunkt führte der Trail direkt dem Lake Tarawera entlang, war aber noch immer sehr kurvig und wellig und super schön zu rennen. Fünf Kilometer später gab es nochmals eine Verpflegungsstelle, wo ich Cola und Wasser trank und ein Stück Banane ass, bevor es auf den letzten Abschnitt ging. Ich versuchte noch etwas Gas zu geben und konnte nochmals einen Läufer überholen, allerdings meldete sich auf die Nahrungsaufnahme hin erneut mein Magen... Somit war ich auf den letzten fünf Kilometern gezwungen, nochmals zu stoppen. Dabei überholte mich ein Läufer, weshalb ich - wie ich im nachhinein erfahren würde - den Podestplatz in der 60 Kilometer Wertung verpasste. Einige hundert Meter vor dem Ziel hörte ich den Speaker, welcher mich ankündigte, kurz darauf führte die Strecke aus dem Wald und ich lief durch den  Zielbogen.
 
Kurz vor dem Ziel (c) Tarawera Ultra Marathon

Im Ziel (c) Tarawera Ultra Marathon
 
Muriel und meine Eltern standen natürlich am falschen Ort, da sie mich am Verpflegungsposten erwartet hatten und ich sah ihre besorgten Blicke, aber ich konnte sie sogleich etwas beruhigen. Nach einem kurzen Medizincheck, der Timingchip-Abgabe sowie dem Empfang der 60km-Finishermedaille konnte ich mich noch etwas stärken bevor wir zu viert in den Zielbereich des 100 km Laufs gefahren sind. Da die Duschen nicht aufzufinden waren, legte kurzerhand in den Fluss. Als ich kurz darauf wieder ins Zielgelände kam, staunte ich nicht schlecht, denn mit Dylan Bowman aus der USA war der erste Läufer bereits im Ziel. Er hatte den Streckenreckort mit einer Zeit von unter 8 Stunden um rund 40 Minuten verbesserte! Zweiter wurde Jorge Maravilla ebenfalls USA und dritter Yoshikazu Hara aus Japan. Alle drei blieben unter dem alten Streckenrekord! Bei den Frauen gewann Ruby Muir, welche auch schon mein erstes Ultra Abenteuer bei der Kepler Challenge gewonnen ebenfalls in neuer Rekordzeit vor Ruth Croft und Nuria Picas.
 
Schön zu erleben war die lockere Stimmung auch unter den Spitzenathleten, welche sich fröhlich im Ziel empfangen haben und zusammen feierten, kein Vergleich zu den Athlethen anderen Lauf-Disziplinen, wie zum Beispiel den 100m Sprintern. Nachdem wir den Zieleinlauf der Top 10 gesehen hatten, ging es zurück in Richtung Campingplatz am Blue Lake, wo wir bei einem leckeren Znacht mit einer Flasche Wein anstossen konnten.
 
Natürlich war ich nach dem Rennen zuerst enttäuscht, und ich stellte mir die Frage, ob ich nicht doch hätte weiter rennen sollen, denn die Beine waren ja wirklich noch in Ordnung. Müssige Fragen, denn ob und wie ich ins Ziel gekommen wäre, werde ich nie wissen. Was mich nun auch nach zwei Wochen noch beschäftigt, ist die Frage nach dem Grund für meine Magenprobleme, denn ich hatte im Vorfeld des Laufes wirklich sehr auf eine sinnvolle Ernährung geachtet, und in den Tagen vor dem Start und sogar noch am Start hatte ich keinerlei Beschwerden. Das Tempo, welches ich gewählt hatte war kaum der Grund, denn bei jedem Halbmarathon, Marathon oder kürzerem Trailrennen ist das Tempo viel höher. Eine Möglichkeit, die ich in Betracht ziehe ist, dass ich eventuell zu viel Fruchtzucker zu mir genommen habe, da ich ziemlich viel Honig, Datteln usw. gegessen hatte. Darauf werde ich beim nächsten Lauf sicherlich achten.
 
Heute, mit etwas mehr als zwei Wochen Distanz, bin ich mit dem Resultat zufrieden, denn es ist ja auch eine gute Leistung einen Wettkampf über 60.8 km mit rund 1'800 positiven und negativen Höhenmetern zu rennen und, trotz aller Probleme, an vierter Position zu finishen. Aber auch das Erlebte während dem Wettkampf in dieser wunderschönen Umgebung, sowie das spannende Programm vor und nach dem Rennen kann mir keiner mehr nehmen!
 
Zum Abschluss möchte ich noch einmal meiner Support Crew bestehend aus meinen Eltern und Muriel danken, welche für das Rennen mehrere Tage geopfert haben und in der Weltgeschichte herumgefahren sind um mich zu unterstützen!  
 

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